Green Mile Phytosanierung: Hanf zur Reinigung von verseuchten Böden

Als die kleine Provinz Tarent in der italienischen Region Apulien 2011 plötzlich riesige Felder Industriehanf anbaute, staunten die Einheimischen erst einmal nicht schlecht. Dahinter steckte allerdings keineswegs der Start eines neuen Drogenimperiums, sondern vielmehr eine geniale Idee: Denn einige Jahre zuvor hatte man herausgefunden, dass Hanf die Fähigkeit hat, Giftstoffe aus dem Boden aufzunehmen und diesen so im Prinzip zu „reinigen“. Die Bauern in Tarent nutzten das Prinzip zum Schutz ihrer Böden, die durch den ansässigen Stahlkonzern Ilva mit giftigen Abfällen und Schwermetallen verseucht wurden.

Diese Methode nennt man Phytosanierung und sie ist eine weitere Art, wie unsere geliebte Hanfpflanze zum Einsatz kommen kann. Potential liegt dabei nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch in der Rettung von Regionen, die Nuklearunfällen zum Opfer gefallen sind.

Was ist Phytosanierung?

Phytosanierung ist eine Art der Bioremediation. Unter dem komplizierten Begriff versteht man biotechnologische Verfahren, um kontaminierte Böden wieder nutzbar zu machen. Werden dafür Pflanzen eingesetzt, handelt es sich um Phytoremediation oder – einfacher gesagt – Phytosanierung. Diese teilt sich wiederum in unterschiedliche Verfahren auf:

  • Phytodegradation
    Hierbei werden gefährliche Stoffe beim Abbau aus dem Boden neutralisiert und zu ungefährlichen Stoffen verarbeitet.
  • Phytostabilisierung
    Bei dieser Methode wird der Boden nur gesichert, bspw. indem man verhindert, dass Schadstoffe sich weiterbewegen und ausbreiten.
  • Phytovotilisation
    Bei der Phytovotilisation nimmt die Pflanze die Schadstoffe auf und gibt sie in die Luft ab.
  • Rhizofiltration
    Hierbei trägt die Pflanze mit ihren Wurzeln zur Aktivität im Boden und damit der Reinigung von Gewässern bei.

Besonders der Prozess der Phytodegradation wird in der Praxis genutzt. Neben Hanf kommen auch andere Pflanzen wie bspw. Sonnenblumen, Mais, Senf und gewisse Kohlsorten dafür in Frage. 

Wo kommt die Phytosanierung zum Einsatz?

Die Phytosanierung mit Industriehanf, der nur einen sehr geringen THC-Wert hat, wurde bereits mehrmals erfolgreich eingesetzt. Bei der oben angerissenen Geschichte aus Italien bemerkte man erst viele Jahre nach Gründung des Stahlwerks die verheerenden Ausmaße. Denn die 1950 eröffnete Produktionsanlage hatte sich in den darauffolgenden Jahrzehnten zu einer der größten Europas entwickelt und der Region einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung gebracht. Die Freude darüber war so groß, dass man zuerst nicht über eventuelle Schattenseiten einer solch extensiven Produktion nachdachte. 2008 rächte sich das. Man fand den hochgiftigen Stoff Dioxin in Weidetieren, die rund um das Stahlwerk gehalten wurden. Die Produktionsanlage hatte die Substanz in den Boden abgelassen und so das komplette Gebiet verseucht. Über die Tiere gelang das Dioxin auch zum Menschen und führte zu Vergiftungen und Krankheiten wie Krebs und Organschäden. Mehrere Tausende Tode schreibt eine Studie den Emissionen des Stahlwerks zu.

Da die Bauern rund um Tarent ihre Heimat allerdings nicht aufgeben wollten, halfen sie sich auf kreative Art und Weise weiter. Sie bepflanzten ihre Felder einfach mit Nutzhanf. Die Wurzeln der Pflanze nahmen die Schwermetalle und andere Schadstoffe im Boden auf und neutralisierten diese sogar teilweise. So konnte dafür gesorgt werden, dass die gefährlichen Stoffe sich nicht weiter im Boden befanden und über Umwege in Tier und Mensch gelangten.

Neu war die Methode aber schon damals nicht. Denn auch beim Reaktorunfall in Tschernobyl nutzte man Industriehanf und andere Pflanzen zur Phytosanierung. Forscher fanden damals heraus, dass der Hanf die radioaktiven Stoffe Strontium und Cäsium aus dem Boden entfernte. Und auch in den Gegenden Weißrusslands, die an die Ukraine grenzten und von der Verschmutzung durch das Atomkraftwerk betroffen waren, empfohlen Wissenschaftler den Einsatz von Hanf.

Genauso wurde die Pflanze nach der Atomkatastrophe in Fukushima von hochgradigen Forschern empfohlen. Es ist allerdings nicht bekannt, ob die Bodenreiniung mit Hanf auch wirklich umgesetzt wurde.

Wieso ist Hanf so gut für die Phytosanierung geeignet?

Hanf ist die ideale Pflanze für die Reinigung von verseuchten Böden, weil sie einerseits sehr anspruchslos ist. Denn Nutzhanf benötigt weder besonders gute Bodengegebenheiten, noch viel Wasser, Pestizide oder Düngemittel. Im Gegenteil: die Pflanze ist dafür bekannt, in ausgelaugten oder nährstoffarmen zu gedeihen und trotz schlechter Konditionen schnell zu wachsen. Dies macht sie zu einem kostengünstigen Mittel.

Weiterhin besitzt Hanf ein sehr starkes Wurzelsystem, dank dem er auch extrem harten Boden durchbrechen kann. Das ist vorteilhaft für den Boden, da er so auflockert und gut belüftet wird. Gleichzeitig schützt Hanf den Boden vor Erosionen. Und da die Wurzeln der Pflanze bis zu 2,5 Meter in den Boden wachsen können, greift sie so auch besonders tiefsitzende Giftstoffe auf.

Zwar kann der Hanf, der für die Phytosanierung eingesetzt wurde, nicht bedenkenlos konsumiert werden. Das heißt allerdings nicht, dass die Bauern auf den Pflanzen sitzen bleiben. Sie können sie immer noch als Biomasse, also zur Energiegewinnung nutzen. Eine weitere Verwendung wäre die Produktion von Textilien oder Baumaterialien. Denn dafür werden lediglich die Fasern genutzt und nicht die Wurzeln, die den größten Teil der aufgenommenen Schadstoffe enthalten.

Ein Zukunftsausblick

Die Phytosanierung mit Hanf ist nicht mehr nur Theorie. Viele erfolgreiche Anwendungsbeispiele machen die Pflanze zu einem aussichtsreichen Kandidaten für weitere Projekte. Aktuell fehlen leider in vielen Ländern wie Amerika noch die gesetzlichen Rahmenbedingungen und finanziellen Mittel für einen großflächigen Einsatz. Allerdings gibt es mittlerweile eine Vielzahl an Studien, die der Pflanze ein enormes Potenzial in der Phytosanierung attestieren. Und auch unternehmerische Interessen zeigen sich bereits. Das amerikanische Biotech-Unternehmen 22nd Century hat zum Beispiel erklärt, dass es den Anbau von Industriehanf zur Reinigung von Böden als einen wichtigen kommenden Geschäftsbereich sieht. Egal, wie sich das Thema entwickelt – es bleibt auf jeden Fall spannend!

 

Quellen:

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