Cannabis und CBD in Luxembourg
Von CBD Boom und Hanfverband zu Cannabis Legalisierung
Der Koalitionsvertrag der neu formierten Regierung hat so manch einem die kleinen, geröteten Augen geöffnet. Nach der Schaffung einer legalen Basis für die Nutzung von Cannabis zu medizinischen Zwecken mit dem Gesetz vom 20. Juli 2018 wird Marihuana künftig auch für rekreative Zwecke legalisiert werden. Revue sprach mit Johannes Dräger, Betreiber eines CBD-Shops und Initiator des rezent gegründeten „Hanf Verband Lëtzebuerg“.
Mit souveräner Leichtigkeit und gekonntem Fachwissen führt Johannes Dräger die Kunden akribisch durch das Universum der Cannabispflanze. Nein, Johannes Dräger ist kein Arzt oder Therapeut, sondern Betreiber des vor einigen Monaten eröffneten CBD-Shops „Green Mile“ in Wasserbillig. „CBD“ ist die Abkürzung für Cannabidiol und eines der etwa 500 wesentlichen Bestandteile der Cannabispflanze, welche zur Gattung der rosenartigen Hanfgewächse gehört. Im Gegensatz zum THC – Tetrahydrocannabinol – besitzt CBD keine psychoaktiven, sondern antiinflammatorische, antiepileptische, antipsychotische und angstlösende Eigenschaften.
Das Molekül bindet an verschiedene Rezeptorsysteme, wie z. Bsp. an den Nucleosid-Transporter-1, wodurch es die vermehrte Neurotransmitter-Ausschüttung (Adrenalin, Noradrenalin) harmonisiert oder auch den GPR55-Rezeptor, wodurch die entzündungshemmende Wirkung ergänzt wird. Außerdem stimuliert Cannabidiol den Vanillid-Rezeptor Typ 1, welches zu einem schmerzlindernden Effekt beitragen kann, es besitzt zellschützende Charakteristiken und gilt als nebenbei noch als äußerst potenter Radikalfänger. Nicht umsonst wurde Cannabis seit Jahrtausenden als natürliches Heilmittel und wertvolle Nutzpflanze überall auf der Welt geschätzt, bevor es Mitte des 20. Jahrhunderts Schritt für Schritt verboten und mit regelrechten Hetzkampagnen immer mehr verteufelt wurde. A drug was born.
„Die CBD-Produkte erfreuen sich einer großen Beliebtheit“, so Johannes Dräger, und ergänzt, dass „keinesfalls nur junge Menschen den Kontakt“ mit der Allroundpflanze suchen. „Viele ältere Mitbürger mit gesundheitlichen Problemen möchten eine Alternative zu den industriellen Pharmazeutika. Eine Kundin, welche seit Jahren an rheumatoider Arthritis leidet und regelmäßig Cortison gespritzt bekommt, ist umgeswitcht auf ein CBD-Gelenk-Öl. Ihr Zustand hat sich laut ihrer eigenen Aussage drastisch verbessert, sogar Sport ist nach etlichen Jahren Leidenszeit wieder möglich“. Andere berichten wiederrum, dass hartnäckige, immer wiederkehrende Kopfschmerzen durch die tägliche Einnahme einiger weniger Tropfen CBD-Öl komplett verschwanden. Doch Johannes Dräger ist kein Arzt. Deshalb hütet er sich auch davor, medizinische Tipps an seine Kunden weiterzugeben oder in generalisierter Manier die potentiellen Heilkräfte der Wunderpflanze zu preisen, wohlwissend dass ein CBD-Shop keinen Status als Apotheke besitzt.
Ein Brief des Gesundheitsministeriums von Oktober 2018 sorgte für zusätzlichen Aufruhr. „Uns - und damit meine ich alle hiesigen Betreiber eines CBD-Shops - wurde mitgeteilt, dass der Verkauf von medizinischem Cannabis sowie CBD-Produkten verboten ist.“ Jene Produkte fallen unter die europäische Reglementierung des sogenannten Novel-Foods und brauchen somit eine Verkaufsgenehmigung. Nach einem kurzen Telefonat mit dem Ministerium war klar, dass es sich hierbei lediglich um Nahrungsergänzungsmittel dreht.
„Fast alle CBD haltigen Produkte in unserem Geschäft sind sowieso nicht zur Einnahme empfohlen. Mir ist zwar bekannt, dass einige Ärzte oder auch Heilpraktiker aus der Umgebung Menschen die Einnahme empfehlen und zu uns schicken, ich selbst würde eine solche Empfehlung nicht aussprechen. Ich bin mir eh nicht sicher, ob das Ministerium sich überhaupt im Klaren war, was da genau verfasst wurde. Medizinischer Cannabis enthält THC und grenzt sich klar von den uns angebotenen Produkten, welche allesamt einen THC-Wert von unter 0.3% haben, ab“, so Dräger weiter.
Doch Angst über eine mögliche Schließung seines Ladens hat der 23-jährige Deutsche, der nebenbei noch Soziologie studiert, nicht. Im Gegenteil: Das Schreiben des Gesundheitsministeriums veranlasste den Jungunternehmer und Cannabis, mit einheimischen Betreibern von CBD-Shops den „Hanf Verband Lëtzebuerg“ zu gründen. „Wir wollen hierzulande eine beratende Institution werden und insbesondere Aufklärungsarbeit betreiben“, so Dräger, der sich für eine konsequente Förderung der Hanfpflanze mit ihren vielfältigen Nutzungszwecken stark macht. Denn Hanf ist nicht nur „Kiffen“ und „Stoned sein“, sondern vor allen Dingen ein Rohstoff mit schier unendlichem Ausschöpfungspotenzial.
„Man kann Häuser bauen mit Hanf, Kleider produzieren, ja sogar Hanfplastik herstellen, der nebenbei noch biologisch abbaubar ist“ erklärt Dräger, der sich wünscht, dass das komplette Spektrum der Wunderpflanze erkannt und ausgenutzt wird, um zusätzliche Wirtschaftszweige zu gründen. „Über 100 Wirkstoffe, von denen man weiß, dass sie sich positiv auf organische Prozesse auswirken, sind noch nicht ausreichend studiert worden“, erklärt Dräger. So müsse auf diesem Gebiet weiterhin geforscht werden, um in unabsehbarer Zeit Cannabissorten auf bestimmte Krankheitsbilder zurechtzuschneiden. Doktor Ganja lässt grüssen.
Einer vollständigen Legalisierung sieht der sympathische CBD-Shop-Betreiber gelassen und positiv entgegen, hebt aber mahnend den Zeigefinger: „Ich denke, man sollte THC-haltiges Cannabis nicht an 18-Jährige verkaufen, sondern das Mindestalter erhöhen. Mit 18 ist man noch nicht vollständig entwickelt, und vielen fehlt die nötige Reife, um souverän mit der Sache umzugehen, wir reden- weiche Drogen hin oder her- immer noch von einem Suchtmittel.“ Auch Alkohol und Nikotin sollten laut Dräger an „Erwachsenere“, und keinesfalls an 16-Jährige verkauft werden. „Hier wird zu viel verharmlost, Alkohol und Zigaretten werden als Normalität angesehen, dabei sterben jährlich eine Unmenge an Menschen an den Folgen ihres Konsums“, so Dräger, der der Ansicht ist, dass die Aufklärungsarbeit in Zukunft im Fokus stehen sollte.
Akute Nebenwirkungen des THC-Konsums können u. A. Herzrasen, Übelkeit, Schwindel oder auch paranoide Zustände sein, langjähriger und regelmäßiger Konsum kann durchaus zu einer Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten, sozialem Rückzug sowie, falls die Blüten geraucht werden, zu Atemwegproblemen führen. „Wir möchten der Gesellschaft die positiven, wie auch die negativen Aspekte der Cannabispflanze näherbringen. Der Hanf Verband Lëtzebuerg steht jedem Interessenten und selbstverständlich auch den politischen Instanzen gerne für jeden Rat zur Disposition“.
Eine Messe ist in Planung, auch eine Hanf-Parade geistert durch die Köpfe der Mitglieder der Vereinigung. „Cannabis ist auf dem Vormarsch, und Luxemburg kann europäischer Vorreiter werden indem es im Gegensatz zu den Niederlanden ein handfestes Modell, in etwa nach kanadischem Vorbild, einführt“, so Dräger. In Kanada ist der Erwerb, Besitz und Konsum seit Oktober letzten Jahres landesweit erlaubt, der Verkauf erfolgt über staatlich lizenzierte Produzenten und Abgabestellen. Die einzelnen Provinzen legen Mindestalter sowie Abgabemenge fest, fast überall sind 30 Gramm erlaubt.
Hierzulande schwirren noch viele Fragen im Raum. Erreicht das Cannabisgeschäft den freien Markt oder regeln Funktionäre den Verkauf? Wird der private Anbau erlaubt, welche Menge darf abgegeben werden, können zukünftig ausschließlich im Großherzogtum wohnhafte Bürger von einer Legalisierung profitieren oder werden die Grenzen für den Cannabistourismus geöffnet? Die Grüne Bombe wurde gezündet, bleibt noch die Frage nach dem Zeitpunkt der Explosion. Der Knall wird mit Sicherheit laut werden. Und viel Rauch hinterlassen.
Quelle: Revue | Text: Gilles Schreiner | Fotos: Hannes Fuchs, Felix Tutzauer